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Die Weisheit des Silen umspielt das Motiv der Misere des menschlichen Lebens. Mit dem Werk des englischen Dichters Lord Byron ist es zu einer zentralen Denkfigur geworden, die Literatur und Kunste in der ersten Halfte des 19. Jahrhunderts in vielfacher Weise grundiert hat. Heinrich Heines Variationen des Themas reichen von seinem Fruhwerk bis in die spatesten Dichtungen. Die Weisheit des Silen ist ihm stets Gegenbild und Anreiz zu jenem Lebensbankett"e;, mit dem er das Ziel seines gesellschaftspolitischen Engagements begrundet. Diese Studie stellt Heines Werk erstmals umfassend in den Horizont der Pariser Literatur- und Kunstszene der Zeit. Im Vergleich mit literarischen Werken (Byron, Cervantes, Gautier, Nerval, Balzac, Musset, Banville, Lamartine, Baudelaire usw.) legtsie ein bewusstseinsgeschichtliches Fundament frei, das bis weit in die Moderne fortgewirkt hat. Heines Wertschatzung der bildenden Kunst (Murillo, Decamps, Robert, Delaroche, Delacroix usw.) und der darstellenden Kunste (Ballett, Pantomime, Commedia dell'arte) wurzelt in der Poetik eines ausgesprochen malerischen Stils' (Victor Hugo). Der Supernaturalismus- nicht sowohl Stilform, als vielmehr Ausweis einer kognitiven Differenz- ist der Schlussel zu einem Kunstverstandnis, das bestandig zwischen l'art-pour-l'art und politischem Engagement zu oszillieren scheint.
Seit der Frühzeit des Humanismus hatten antike Weissagungen, Mythen und Orakel eine beträchtliche Rolle bei die Begründung der "Wahrheit der christlichen Religion" gespielt. Die Entwicklung der kritischen Philologie im konfessionellen Zeitalter zeigt jedoch, daß das Wahrheitspostulat in zunehmendem Maße durch eine historische Hermeneutik ersetzt worden ist. Argumente für eine christliche Apologetik waren so kaum noch aus den heidnischen Traditionen, ihrer Mythologie und Kosmologie, zu gewinnen. Dieser bewußtseinsgeschichtliche Wandel hat auch das Dichtungsverständnis in unterschiedlichsten konfessionellen und intellektuellen Zusammenhängen geformt. Auf der breiten Basis gedruckter und handschriftlicher Quellen, die hier erstmals zugänglich gemacht werden, greift der Autor die hauptsächtlichen Entwicklungslinien auf und rekonstruiert exemplarische Diskussionszusammenhänge innerhalb der europäischen Gelehrtenkultur. Vor dem Hintergrund der am intensivsten in den Vereinigten Niederlanden ausgebildeten philologischen Kritik führt das Buch unter anderem zu einem neuen Verständnis von Martin Opitz' Dichtwerk und gibt Einblick in die kognitiven Voraussetzungen der Poetik des Konvertiten und vatikanischen Bibliothekars Lucas Holstenius in den Jahren um Galileis zweite Verurteilung. Antiquarianismus, Astronomie und Sprachforschung der Zeit werden ebenso berücksichtigt wie die Sozialisation frühneuzeitlicher savants in den "Akademien". Eingehend wird die Interpretationsgeschichte der sibyllinischen Gesänge analysiert und gezeigt, welche Funktion mosaische Kosmologie und die neue Astronomie Keplers innerhalb des Hamburger Gelehrtenzirkels um Barthold Heinrich Brockes und Johann Albert Fabricius am Beginn des 18. Jahrhunderts eingenommen haben.
Am 7. November 1775 trat Goethe in den Kreis des Weimarer Hofes. Die im September des folgenden Jahres entstandene Dichtung »Seefahrt« gilt als biographisch getreuer Spiegel dieser veränderten Lebenswelt. Ziel der Untersuchung ist demgegenüber ein doppeltes: sie zeigt, daß dem Gedicht ein genau kalkuliertes poetologisches Programm zugrundeliegt, das Goethe in der Auseinandersetzung mit Salomon Gessners Idylle »Der Sturm« erprobte; sie entfaltet darüber hinaus den anthropologisch grundierten Erfahrungshorizont, in den die Meeresdichtung des 18. Jahrhunderts, von Barthold Heinrich Brockes und James Thomson über Wieland, Mendelssohn und Klopstock bis hin zu Stolberg und Herder, gestellt ist. Die Lebensstimmung, die in Goethes »Seefahrt« zum Ausdruck kommt, umreißt eine Situation, die den Menschen in der Krisis eines "physisch-moralischen" Konfliktes zeigt. Der Handlungsverlauf des Gedichts, das sich zunächst als präzise Kontrafaktur des Psalms 107 gibt, reflektiert im Kern eine Motivkonstellation, die sich als beinahe centonenhafte Überformung horazischer Dichtungen herausstellt. Herders Odenkonzept und Diderots Dramentheorie haben die strukturelle Einheit der Dichtung wesentlich geprägt. Zwanzig Jahre später hat Goethe diesen "physisch-moralischen" Konflikt zu einer ästhetisch-sittlichen Spannung umgedeutet: »Alexis und Dora« ist der spielerische Reflex einer Lebensform, die, wie in der Dichtung »Seefahrt«, die Lösung des Konflikts bewußt verweigert. Der Band enthält neben einem Ausblick auf die Meeresdichtung Heines, Baudelaires und Rimbauds sowie einem detaillierten Register den Erstdruck von Herders Horaz-Adaption »An ein Schiff«.
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